Interview "STICKS" 3/99
von Tom Schäfer


Mit unter ist das kein Zufall, wenn der Traum vom Profi-Schlagzeuger in Erfüllung geht. Für den in Lacanau Ocean (Südfrankreich) geborenen Antoine Fillon zählt die persönliche Attitüde zu den wichtigen Eckpfeilern des Erfolgs. Mehr als 500 Shows hat er in Helmut Zerletts Band für eine der erfolgreichsten „Late Night Comedies" des deutschen Fernsehens getrommelt. Und eins ist klar: Man arbeitet professionell und perfekt, es geht um sekundengenaues Timing, auch bei einer locker anmutenden Unterhaltungskost, die mit "arald Chmiidh" die Würde des Witzes so schön in Frage stellt. Zuverlässigkeit, Präsenz und perfektes Arbeiten gehören zum Alltag dieses Drummers, der mit Groove, Charme, Witz und seinen berühmt-berüchtigten „Percussion-Kommentaren" das Format der Sendung wunderbar bereichert. STICKS traf den munteren Franzosen zur Aufzeichnung einer „Dirty Harry"-Show im Studio 449 zu Köln.

Wie wird man Drummer der „Harald Schmidt Show"?

Ich bin durch ein Casting an diesen Job gekommen. Das war ganz schön nervenaufreibend, denn du kommst rein, siehst da ein Schlagzeug stehen, welches nicht deins ist und mußt sofort spielen. O.K., das Set konnte man sich schon ein bißchen zurechtrücken, aber in dieser Situation wollte ich einfach sofort loslegen. Das Casting fand vor drei Jahren statt, als die Band um Helmut Zerlett zusammengestellt wurde und jede Menge Drummer an dieser Audition teilnahmen. Glücklicherweise konnte ich das Vorspielen anderer Schlagzeuger vor mir mitverfolgen und hab' in der kurzen Zeit durch Beobachtung eine Menge lernen können. Wenn du so ein Casting machst, dann mußt du dir im klaren darüber sein, in welchem Kontext dieses stattfindet. Du mußt dich in die Sache hineindenken und überlegen, welche deine Aufgabe in diesem Job sein könnte. Bei einer Audition für eine Fusion-Band ist es wohl angesagt, deine technischen Fähigkeiten rauszulassen, aber bei dieser Geschichte im Rahmen einer Fernsehproduktion habe ich schnell begriffen, daß es erstens um Groove geht und zweitens auch um die persönliche Ausstrahlung. Du mußt einfach natürlich bleiben und gut drauf sein, denn dieser Job sollte nicht nur für einen Gig sein, sondern - was mich betrifft - jetzt schon für mehr als 500 Shows. Der Erfolg einer Audition-Situation hat viel mit deiner Attitüde zu tun. Es geht überhaupt nicht um Schauspielerei. Ich spielte dann mit der Band richtige Songs, es gab also keine Jamsession. Ich hab' alles fehlerfrei gespielt und mich bemüht, viel Gefühl einzubringen, damit der Groove stimmt. Andere Schlagzeuger wollten ihre Technik und andere tolle Dinge zeigen, doch das war überhaupt nicht gefragt - und so hab' ich schließlich den Job bekommen.

Wie groß schätzt du die Möglichkeiten deines kreativen Inputs in die Band als Einflußnahme auf den musikalischen Part der Show ein?

Helmut Zerlett ist der Bandleader und der erste Schritt kommt von ihm. Die Direktion muß einfach stimmen. Er gibt die Themen vor, setzt aber gleichzeitig ein großes Vertrauen in die Band. Als Drummer genieße ich viele Freiheiten, unsere Arbeitsatmosphäre ist eigentlich recht locker. Die Musiker können zum Beispiel selber darüber entscheiden, welche Art von Breaks gespielt werden. Dliese Arbeit ist absolut kein Streß und ich als Schlagzeuger hab' sowieso recht viel Macht.

Wie darf ich das verstehen?

Ich glaube, nach Helmut Zerlett ist der Drummer der zweitwichtigste Musiker in dieser Band. Meistens starte ich die Songs in Form eines Fill-lns als Cue, ein Signal für die Band zur „Eins" hin. Außerdem begleite ich Harald Schmidt am Anfang der Show während seines Stand-Ups in Form kleiner Akzente oder Fill-Ins auf seine Pointen. Manchmal sind die Dinge geplant, aber es kommen oft sehr spontane Aktionen hinzu. Von daher ist der Schlagzeuger sehr wichtig in der Show. Dieser Job ist für mich ein Traumjob, denn ich habe außerdem viele Möglichkeiten, Musik ganz verschiedener Stile zu spielen.

Du kommentierst also mit den Drums den einen oder anderen Schmidt-Gag. Wann oder wie entscheidest du aber in der Situation, ob du agierst oder doch lieber ruhig bist?

Diese spontanen Sachen sind intuitiv plaziert. Ich kenne Harald sehr genau und weiß, wann er einen starken Witz machen wird. In diesem Moment kommen von mir die kurzen, akzentuierten Sounds. Ich mache also spontane Geräuschekommentare. Auch das ist kein Streß, es passiert einfach so. Harald Schmidt ist in seiner Darbietung absolut professionell, insofern ist es für mich sehr einfach, mit ihm zu arbeiten. Die Band spielt ja in der Regel nur kurze Musiksequenzen, quasi als musikalische Einwürfe, die stilistisch in Richtung eines frechen Rocksounds recht festgelegt scheinen.

Längere Songs spielt ihr ja nur in den Werbepausen für das Live-Publikum.

Es ist richtig, daß die Band gerne rockige Power-Sachen spielt. Dennoch haben wir die Möglichkeit, auch ausgefeilte Arrangements sowie mehrere Titel innerhalb der Show zu spielen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn musikalische Gäste kommen, die wir dann begleiten. Auf diese Weise spielen wir alle Genres zwischen Schlager, Rock, Pop und Jazz. Und im Laufe der Zeit kommen da ganz schön viele Songs und Künstler zusammen mit denen wir bereits gespielt haben. Das geht von Tony Marshall, Roberto Blanco, Nicole, Guildo Horn und Vicky Leandros über Drafi Deutscher, Mario Adorf, Otto, Harald Juhnke, Stefan Raab bis hin zu Meat Loaf, Nina Hagen, Willy De Ville, Tic Tac Toe, Candy Dulfer, Jennifer Rush und Oleta Adams, um nur ein paar wenige zu nennen. Hier habe ich Möglichkeiten, mit Superleuten zu spielen. Das ist höchst abwechslungsreich, denn an einem Tag spielst du mit Heino und am nächsten mit Grace Jones. Wenn eine Künstlerbegleitung ansteht, dann bereiten wir die Playbacks in der Regel identisch zum CD-Original vor. Hin und wieder gibt es aber auch Variationen, so daß wir nach unseren Vorstellungen eigene Arrangements erarbeiten können. Das ist natürlich eine kreative Herausforderung, und bei einem Auftritt mit Peter Kraus zum Beispiel ist uns das vortrefflich geglückt. Seinen Song arrangierten wir in einer punkmäßigen Trash-Version. Und das war richtig gut, denn er hatte noch nie über eine solche Musik gesungen. Schau, ich bin jetzt 34 Jahre alt und hatte vorher eigentlich nie so richtig was mit Popmusik zu tun. Dennoch wollte ich immer wissen, wie die Mechanismen funktionieren, und plötzlich stehe ich mit beiden Beinen mitten drin. Nach dem damaligen Casting gab's im Anschluß eine einmonatige Probezeit und drei Tage vor der allerersten Schmidt-Show kam die Produktion zu uns und sagte: „OK, euer erster Gast, mit dem ihr spielen werdet, ist Brian Ferry." Ich war total schockiert, denn damit rechnest du doch gar nicht. Einerseits hatte ich einen Traumjob gefunden, aber andererseits stellten sich mir sehr verantwortungsvolle Aufgaben, schließlich hatte ich noch keine Erfahrung mit Kameras zu arbeiten -und dann kam auch noch Brian Ferry. So ein Song ist in der Regel drei Minuten lang und es ist völlig klar, daß du in diesen drei Minuten absolut keinen Fehler machen darfst. Ansonsten fliegst du raus. Dafür aber sind ja auch die Proben gedacht. Aber die sind sehr kurz, das ist kein Witz. Manchmal bekommen wir den Song erst ein paar Stunden vor der Show. Dann müssen wir höchst konzentriert und schnell daran arbeiten, um alles perfekt einzustudieren. Du mußt also rundum richtig fit sein und dich binnen kürzester Zeit auf verschiedene Situationen einstellen können? Genau, und dieser Job ist für mich ein absolut gutes Training. Jedem Musiker kann ich nur wünschen, wenigstens einmal im Leben einen solch professionellen Job erleben zu dürfen. Das schult unglaublich. Wenn du in eine solche Situation gelangst, dann mußt du nur bereit sein den Job ernsthaft anzunehmen. Oft ist es die eigenes Schuld des Musikers, daß solche Situationen erst gar nicht eintreten, was vielleicht an der Musikalität, meistens aber an der falschen Attitüde liegt.

Die Band untersteht während der Show ja einem festem System, da geht's um Sekunden. Wie checkt man so was aus, den dies ist ja nicht mal eben kurz vor der Sendung zu proben?

Am Anfang der Show gibt es das Intro, das Sit-Down für die Band und den ersten Werbeblock. Hier spielen wir jeden Abend dasselbe Stück. Vor drei Jahren, zu Beginn des Sendestarts, haben wir mit Helmut sehr viel geprobt und einiges getimed. Wenn zum Beispiel ein 10-Sekunden-Trailer kommt, dann arbeiten wir mit einem Arrangement mit Tempofestlegung, so daß eine genaue zeitlich definierte Sequenz eingehalten wird. Der Song in den Werbepausen ist etwa drei Minuten lang, auch hier ist alles genau ausgecheckt, denn das System sieht vor, daß das letzte Bild der Werbung, bzw. der Schmidt-Trailer über den letzten Tönen unseres Outros gefahren wird. Damit das alles immer zeitlich hinhaut, arbeite ich natürlich mit einem Metronom. Das alles geht dann sekundengenau. Einmal hatte jemand von der Regie in der Showprobe eine falsche Zeit genommen, so daß wir mit dem Song bereits fertig waren, obwohl noch der Werbeblock lief. Dann müssen wir spontan reagieren und noch ein paar Takte anhängen.

Als Time-Orientierung arbeitest du mit der Tama Rhythnm Watch und zählst
die Band ein?


Genau. Am Anfang habe ich noch vieles mit durchlaufendem Click gespielt, aber jetzt arbeite ich ohne. Lediglich zum Einzählen orientiere ich mich am Metronom. Das Timing der Band ist gut und außerdem finde ich es wichtiger, daß die Musik atmen kann. Es sei denn, es werden Loops eingesetzt, dann spiele ich natürlich die ganze Zeit mit Click.

Wieso Loops? Was macht das für einen Sinn?

Das ist eine Entscheidung von Helmut Zerlett. Manchmal will er den Sound dadurch kräftiger gestalten. Oft sind es Drumloops oder auch schon mal Percussion-Linien in Form eines durchlaufenden Tambourins.

Nun, ich empfinde den Sound allerdings als gut und füllig, zumal du ja auch additiv das ddrum-System einsetzt. Arbeitest du ständig mit Mischsounds aus akustischem Klängen und Samples?

Ja, ich habe das fein eingestellt und eine brauchbare Kombination aus akustischen und elektronischen Sounds gefunden. Veränderungen werden dabei selten vorgenommen und nur dann, wenn spezielle Sounds gefragt sind, wie zum Beispiel ein markanter Snaredrum-Sound. Dann mach' ich von der CD des Künstlers ein Snaredrum Sample und integriere den Sound in mein System. Kurz vor der Show arbeite ich mit dem Toningenieur an der klanglichen Abstimmung und wir entscheiden, ob es ein Misch-Sound sein wird oder ein reiner Samplesound, der dann über ein Pad gespielt wird. Das alles passiert in kürzester Zeit mit der Zielvorgabe, daß es in der Show hundertprozentig funktionieren muß.

Du mußt ja auch rein spieltechnisch von null auf hundert in kürzester Zeit präsent sein, schließlich gibt es kein unmittelbares Warm-Up.

Die Zeit ist sehr kurz, du mußt von einer auf die andere Sekunde Vollgas spielen und dann auch sofort wieder Schluß machen. Am Anfang hatte ich damit regelrechte körperliche Probleme, denn Arme, Hände und Beine waren kalt und ich mußte aus dem Stand heraus diese kraftvollen Kurznummern spielen. Das ist wie ein Sprint. Über den Abend verteilt spielen wir maximal zehn Minuten, was ja vergleichbar wenig mit einem Konzert ist, das zwei Stunden dauert und wobei du dich vorher meist warm spielen kannst.

Hast du dich dahingehend trainiert?

Das Gefühl und die körperliche Geschmeidigkeit ist mit der Zeit gekommen. Aber ich mache jeden Tag für ein bis zwei Stunden Warm-Ups, sowohl zu Hause als auch hier im Proberaum des Studios. Ich trainiere am Set, um meine körperliche Beweglichkeit frisch zu halten, so daß ich abends in der Show fit bin und spielen kann was ich will. Das ist für mich wie Jogging.

Du hast doch sicherlich auch kuriose Situationen während des Showablaufs erlebt, oder?

Na klar, aber Fehler passieren sehr, sehr selten. Normalerweise bekommt die Band während der Show ein Zeichen von der Regie, wann der Song oder ähnliches losgeht. Einmal konnten wir das Zeichen aber nicht erkennen, insofern also da nichts losging. Mir ist es auch schon passiert, daß ich mich wenige Sekunden vor der Show nicht mehr an das Arrangement eines Songs erinnern konnte. Das ist superpeinlich! Ich arbeite ja nicht mit Noten, weil ich es lieber frisch und frei mag. Dann steigt plötzlich der Adrenalinspiegel und du kannst wirklich Panik kriegen. Der Trick ist, einfach cool zu bleiben. Aber richtige Aussetzer hatten wir bislang nie. Einmal ist es mir passiert, daß ich einen Loop zu früh startete und Harald Schmidt hat die Situation spontan aufgegriffen und einen Witz über mich gemacht. Wenn also etwas schief geht, dann benutzt er es für seine Show. Von daher kann mit Harald eigentlich nichts schief gehen, weil die Fehler Teil der Show werden. Das ist sehr praktisch.

Wie sieht dein beruflicher Tagesablauf aus?

Es kommt immer drauf an, was zu tun ist. Normalerweise treffen wir uns um 16 Uhr mit der Band und informieren uns über den Inhalt der abendlichen Sendung. Dann proben wir von 16.30 Uhr bis 18 Uhr. Um 18 Uhr beginnt die Probe im Studio, anschließend haben wir eine kleine Pause und um 20 Uhr ist Showstart. Wenn aber ein Künstler kommt, mit dem etwas musikalisches gestaltet werden soll, dann treffen wir uns früher, so gegen 14 Uhr. Dann proben wir die Songs mit dem Künstler und müssen anschließend im Studio Licht- und Kameraproben mitmachen. Danach proben wir für uns die normalen Showteile, um 18 Uhr ist dann wiederum die gewöhnliche tägliche Showprobe. Manchmal ist es halt ein langer Tag. Trotz der Regelmäßigkeit dieses Jobs habe ich auch nach 500 Sendungen immer noch großen Spaß dran.

Bei vier Sendungen pro Woche hast du wahrscheinlich kaum Möglichkeiten noch andere Projekte zu pflegen, oder?

Möglich ist das schon, denn Samstag, Sonntag und Montag ist ja frei. Allerdings fest in einer Band zu spielen, das wäre kaum machbar, da ich den Verpflichtungen nicht gerecht werden würde. Ich habe natürlich weniger Konzertauftritte als früher, aber ich finde es auch mal gut, eine Zeit lang nur dieses eine Projekt zu machen, und das dann hundertprozentig.

Laß uns mal über deine Drumsounds reden und über klangliche Spezialitäten im Rahmen einer Fernsehproduktion. Auffällig ist zunächst, daß dein Set in einem Plexiglasrahmen abgeschottet ist.

Ja, das haben wir gemacht, um den akustischen Lautstärkepegel vom Publikum etwas fernzuhalten. Wir spielen ja nicht zurückgenommen, sondern richtig laut und können uns ungehindert austoben. Auch in dieser Hinsicht genießt die Band viele Freiheiten, was für die Kreation einer frischen Musik ganz wichtig ist.

Und wie sieht's mit dem Drumtuning aus?

Meine Toms sind überhaupt nicht abgedämpft, alles ist offen klingend und sehr resonant mit viel Ton. Auch die Cymbals aus der „A Custom Projection" Serie klingen wirklich hart und kraftvoll. Eigentlich ist mein Cymbal-Set ein legelrechtes Rock-Setup. Die Snaredrum ist hart gestimmt und setzt sich gut durch.

Hast du neben diesem TV-Job ein weiteres Ziel vor Augen?

Es gibt kein konkretes Ziel, eher stehe ich in Erwartung der Dinge, die sich mit der Zeit automatisch ergeben werden. Nach diesem Prinzip habe ich immer gelebt, was sich für mich insofern bewahrheitet hat, daß ich meinen Traum, als Schlagzeuger professionell arbeiten zu können, erreicht habe. In Sachen Schlagzeug arbeite ich daran, meine Spieltechnik weiter auszubauen.

Was aber wird nach Harald Schmidt sein?

Ein Traum wäre, mal eine große Stadion- Tournee zu spielen. Im Moment arbeite ich noch an einem Videoprojekt über meinen Job bei der „Harald Schmidt Show". Aber es wird nicht eins dieser typischen Drumvideos werden, sondern insbesondere auf meine Situation als Schlagzeuger einer TV-Produktion eingehen mit vielen eingefangenen Stimmungen und unterschiedlichen Situationen. Außerdem komponiere ich Musik.

In welcher Form arbeitest du an deiner Spieltechnik?

Nun, zunächst finde ich, daß ein übereifriges Üben das Schlagzeugspiel intellektualisieren kann. Du konzentrierst dich sehr auf Technik und Timing und vergißt dabei, Musik zu machen. Ich konzentriere mich vorwiegend auf meine körperliche Kontrolle, denn kraftvoll und präsent zu spielen ist fast wie Sport. Bei all der Intensität ist die gleichzeitige Lockerheit wichtig. Durch das ständige Spielen habe ich einmal meine Bewegungsabläufe analysiert mit dem Ergebnis, daß ich meine Kräfte jetzt viel ökonomischer einsetze, die Bewegungen sind leicht und zielgerichtet. Technische Sachen wie zum Beispiel Wechsel zwischen Toms und Cymbals oder Hi-Hat und Snaredrum gestalten sich für mich natürlicher. Und ich bin durchaus glücklich damit, auch einfache Backbeats zu spielen. Unter dem körperlich-technischen Aspekt ist das eine ganz andere Herausforderung. Ich sehe die Musik als ganzes und setzte mein Schlagzeugspiel sehr musikdienlich ein. Wenn man aus dieser Warte die Musik betrachten kann, dann ist man einen ganz schönen Schritt weitergekommen. Man sieht sich nicht isoliert als „der Drummer", sondern erkennt sich als Teil des Ganzen. Diesen Punkt des Überblicks zu erlangen, das ist wirklich sehr schwer. Denn jeder Mensch besitzt ein eigenes Ego, das er im Moment des musikalischen Zusammenwirkens zurücknehmen muß. Für mich ist dies ein Kernthema des Musizierens. Sicherlich habe ich manchmal Ideen, ein Tom-Fill a la Dennis Chambers zu spielen, aber das mußt du einfach vergessen. Niemand will das hören und im Rahmen der Band der „Harald Schmidt Show" ist das sowieso nicht gefragt. Einfach spielen aber intensiv, das ist meine Zielrichtung.

Der Drumstick ist ja das Bindeglied zwischen Musiker und Instrument, zwischen Drummer und Drums. Hast du diesen Aspekt einmal in deine Philosophie mit einbezogen?

Sicher, ich beobachte die Art und Weise des ausgeführten Schlags, um den Bewegungsablauf zu kontrollieren. In letzter Zeit übe ich einige Dinge bewußt minimiert und in ganz langsamen Tempi, wie zum Beispiel Grooves lediglich auf einem Cymbal oder auf einem Tom und studiere dabei die Bewegung des Arms. Auf diese Weise komme ich auf neue Ideen. Schlagzeugspielen ist eine ganzkörperliche Sache, die für mich auch eine gewisse Ästhetik beinhaltet.

Gibt es Kritikpunkte am Musikbusiness?

Oh ja, wenn man in Bereiche gelangt, in denen viel Geld investiert wird, dann verändert sich oft die Attitüde der Menschen mit denen man zu tun hat. Es gibt viel Verlogenes und einfach unglaublich viel Bullshit sowie eine Menge unqualifizierter Aussagen. Mit der Zeit bist du vorsichtiger und lernst Menschen besser einzuschätzen. Das ist wirklich ein Schwachpunkt in dieser Business-Welt. Jeder benutzt den anderen, wenn es darum geht, Geld zu verdienen. Es ist also nicht nur eine Traumwelt, denn die Psyche wird oft arg strapaziert.

Demnach ist ein starkes Selbstbewußtsein eine überaus wichtige Facette, um als Musiker bestehen zu können?

Das ist richtig, denn bei jedem Gig, auch bei ganz kleinen und auch bei deinem allerersten Gig überhaupt, da zählt deine Person und deine Eigenschaft als Mensch. Im professionellen Business wächst der Druck, dem man entgegenwirken kann, indem man natürlich bleibt und niemandem eine Rolle vorspielt, was ja auch mit Selbstbewußtsein zu tun hat. Viele Leute verändern sich mit ihrem Bekanntheitsgrad, und die werden dann schwierig. Man darf seine eigene Identität nicht verlieren.

Wie behältst du deine Identität als Schlagzeuger bei den wenigen Minuten, die du in der Show spielst?

Auch wenn die Zeit sehr knapp ist, so kann ich doch in jedem Moment etwas lernen. Das macht Spaß und das ist der Punkt. Solange ich mit dieser Auffassung den Job spielen kann, bleibt meine Identität erhallen. Wird es zur Routine, und du spielst mit noch „bumm-bumm-bumm und krach", dann ist es vorbei. Ich bemühe mich um stete Herausforderungen, das klingt zwar sehr einfach und pauschal, aber es funktioniert, und wenn es nur die Erfahrung ist, das Crash-Cymbal anstatt mit rechts mit der linken Hand zu spielen. Das ist die Motivation.

Welches war dein schönstes Erlebnis als Schlagzeuger?

Das war genau der Moment, als ich das erste mal auf einem Schlagzeug spielte, ich war ungefähr dreizehn Jahre alt.